Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen
Niels Bohr
In den letzten Tagen habe ich immer wieder darüber nachgedacht, wie sehr die Diagnose “Ihr Kind hat einen Herzfehler” das Denken und Handeln einer Schwangeren verändert. Während ich in der Schwangerschaft meiner großen Tochter irgendwann doch dem inneren Bedürfnis nachgab und viele sinnvolle und so manche sinnlose Babysachen kaufte, ich voller Vorfreude ihr Babyzimmer strich und einrichtete, quält mich seit dem Wissen um die Diagnose ein regelrechtes Vermeidungsverhalten.
Ich habe meine Zeitrechnung in “vor der Diagnose” und “danach” unterteilt. Vor der Diagnose hatte ich noch ein wohliges Kribbeln im Bauch und musste mich selbst bremsen, um nicht schon vor Ende der kritischen Zeit komplette Babygeschäfte zu plündern oder mich in den Weiten der Planungsphantasien zu verlieren.
Heute – “danach” – mache ich physisch einen großen Bogen um Babygeschäfte und auch gedanklich versuche ich sämtliche notwendigen Planungen in Bezug auf das Baby zu vermeiden. Ich finde das selbst manchmal ziemlich doof, aber die “Was wäre wenn – Gedanken” beherrschen – zumindest die meiste Zeit – mein Denken und Tun. Ring frei für David gegen Goliath!
Notwendige Anschaffungen
Der Mensch neigt ja bekanntlich dazu, sich alles so hinzubiegen, dass es passt. Man könnte also freudig behaupten, dass wir Glück im Unglück hätten. Da wir unser zweites Kind erwarten, können wir natürlich auf einen reichen Fundus aus Kinderwagen, Babyzimmermöbeln, Erstlingsausstattung, Klamotten etc. zurückgreifen. Das ist aus unschwangerer (a.k.a. Männer-) Sicht natürlich höchst praktisch. Da das zweite Kind sogar wieder ein Mädchen wird, können wir sogar ALLES wiederverwenden – sogar den mädchenfarbenen Kinderwagen aus dem gehobenen Preissegment. Bingo! Eine Win-Win-Situation für den unschwangeren Mann und natürlich auch für mich in meiner “danach”-Zeitrechnung. Das spielt mir sehr in die Karten. Doch was rational Sinn zu machen scheint, ist leider nur auf den ersten Blick praktisch. Nach einem Hochsommerbaby erwarten wir nämlich nun ein Tiefwinterbaby, welches – willkommen in der Realität – einen Herzfehler hat – Prognose gut / Ausgang ungewiss. Zu früh gefreut… Und mal im Ernst: Wollen wir Tochter Nr. 2 ernsthaft den Winter in T-Shirts, Spielern und kurzen Bodies verbringen lassen…?
Also musste ich mich meinen Vermeidungs-Dämonen stellen und bin am Wochenende erst shoppen gegangen und am Sonntag dann sogar auf den Dachboden gestiegen, um die gefühlten 100 Pampers Kartons mit Babysachen zu sichten. Gestern habe ich mich dann also ran gemacht und die Inhalte sortiert in Größen gestapelt. Die gute Nachricht ist: Es ist doch mehr von den Sachen verwendbar, als erwartet. Haben wir damals ernsthaft unserem Sommerbaby Langarmbodies und lange Frotteehosen / -pullover angezogen? Bei 38°C? Offensichtlich schon. Ich erinnere mich zwar noch daran, dass sie nicht mal einen Schlafsack bzw. eine Decke hatte, weil wir in unserer Dachgeschosswohnung sogar nachts an die 30°C hatten. Aber die Sachen werden schon nicht von Zauberhand in die verklebten und akribisch beschrifteten Pamperskisten geklettert sein.
Und noch eine gute Nachricht schlich sich zwischen all meine Zweifel und Ängste: Es machte doch tatsächlich Spaß die Babysachen durchzusehen. Mit jedem Teil kamen schöne Erinnerungen vom Sommer 2010 in mir hoch und ich wagte, mir vorsichtig vorzustellen, auch unsere 2. Tochter mit den schönen Bodies, Hosen, und Pullovern einzukleiden.
Die Bestandsaufnahme machte mir dennoch bewusst, dass wir noch so manches Winterutensil brauchen und der (vielleicht auch nur virtuelle) Gang in das nächste Babygeschäft weiterhin unumgänglich ist: Angefangen beim Winteroverall, Wintermützen und einer wärmenden Unterlage für den Kinderwagen fehlen logischerweise noch nützliche Dinge, wie Windeln, Creme etc.
Die Ausbeute unseres Samstags-Shoppings sind zwar wunderschön kitschig und mädchenhaft, aber es ist auch darunter nichts dabei, was so wirklich winter-draußen-tauglich ist.
Und da waren sie dann auch wieder die Zweifel: Was, wenn ich all diese Dinge kaufe und dann geht es schief und wir brauchen nichts von dem? Und selbst wenn ich nur halb so dramatisch denke, schleicht sich immer wieder dieser eine quälende Gedanke in meinen Kopf: Wie lange werden wir wohl tatsächlich im Krankenhaus bleiben? Haben wir überhaupt die Möglichkeit, all die schönen Sachen in den kleinen Größen anzuziehen? Brauchen wir tatsächlich einen Winteranzug in Größe 56? Oder wird die kleine Maus bei ihrer Entlassung schon längst die nächste Größe tragen?
Aus diesem Grund habe ich trotz der kurzzeitigen Shoppingfreude mal wieder beschlossen: Die Preisetiketten bleiben sicherheitshalber an den Sachen dran. Gewaschen werden kann das auch noch, wenn wir dann mal wirklich zuhause ankommen.
Noch 12 Wochen Zeit – Zeit genug…
… um sich um die anderen Dinge im Leben zu kümmern. Familie, Haushalt, Weihnachten. Oh Gott, ja Weihnachten! Jedes Jahr stellt man erschrocken fest, dass in wenigen Wochen Weihnachten ist. Wie gut, dass man sich mit Pseudo-Vorbereitungen ablenken kann, statt wichtigere Dinge zu erledigen.
Heute beginnt die 29. Schwangerschaftswoche. Es sind also theoretisch noch 12 Wochen, wobei ich ehrlich gesagt eher von 10 Wochen ausgehe – oder es zumindest hoffe, bei dem aktuellen Gewicht / Größe der Kleinen…
So langsam sollten wir uns mal Gedanken um das Babyzimmer machen. Wir müssen dringend mit unserem Kater sprechen, der das Zimmer nachts bewohnt und von da aus wie ein Wachhund die 3 Schlafenden in den anderen Zimmern bewacht.
Leer ist es. Naja fast leer, bis auf 2 leere Ikea Schränke, eine Kommode, ein Schlafsofa und ähm…. 3 Wäscheständer. Aber es fehlen noch Leisten und ein schöner Farbanstrich. So steril weiß soll das Zimmer ja nicht bleiben.
Ideen habe ich viele, schnell umsetzbar sind sie sogar auch (bis auf die doofen Leisten).
Sie soll das schönste Babyzimmer auf Erden bekommen
Ich dachte an Beige und ein dunkles Altrosa. Oder an das dunkle Himbeere, was wir auch im Schlafzimmer haben und einen Grauton. Nicht viel. Nur im Kniestockbereich. Mit Eulen-Wandtattoos, vielleicht auch einem Stoffbäumchen. Möbel sind weitestgehend vorhanden. Vielleicht passe ich noch hier oder da die Schrankfarbe an. Ein paar Deko Sachen wollte ich nähen. Eine Lampe mit ihrem Namen, vielleicht ein Nestchen (wobei ich eigentlich gegen diese Dinger bin), ein Kissen mit Namen. Willkommen im Traumland einer ganz normalen Schwangeren…
Aber es soll im “Notfall” eben auch anderweitig nutzbar sein. Vor allem farblich. Bäm, ich setz mich dann mal wieder auf den Erdboden der Tatsachen und grübel und grübel und ach verdammt… Ich muss das ja nicht heute entscheiden. Morgen auch nicht. Und so vergeht die Zeit. ABER – und das ist mir am wichtigsten: Ich möchte mich in dem Zimmer allein austoben. Ich habe das Zimmer der Großen allein und höchstschwanger gestrichen (4 Wochen vor der Geburt, als mein Mann über’s Wochenende zum Fußball war), so wie ich es mir in den Wochen davor immer wieder ausgemalt hatte. Und ich möchte das auch für die Kleine machen. Da geht es nicht um Hilfe ablehnen, sondern schlichtweg darum, dass es mir eine Herzensangelegenheit ist. Beim Leisten kleben, Möbel aufbauen und schieben sind helfende Hände gern willkommen, aber der Rest ist meins. Punkt.
Ich gehe dann mal wieder träumen. Zumindest solange, bis mich die Realität wieder einholt.
Anonymous
13/11/2013 at 22:45 (11 Jahren ago)Hallo Jessika,<br />ich heiße Susen, bin 28 Jahre alt und Mami einer 2 jährigen Tochter.<br />Wir kennen uns nicht, aber dein Mann und ich schon… Wir hatten 3 Jahre zusammen Berufsschule. Lange ists her. <br />Das eure ungeborene Tochter einen herzfehler hat tut mir sehr leid.<br />Den weg zu gehen einen Blog zu schreiben finde ich mutig und ich würde gerne ab und zu vorbei schauen.<br />Ich
Anonymous
25/11/2013 at 22:09 (11 Jahren ago)ich bewundere Dich und ich finde es super, Deine Gefühle und Gedanken hier in diesem wundervollen Blog darzustellen. Du nimmst damit anderen die Angst vor etwas was immer mal wieder kommt und das man nicht allein ist. <br /><br />Ich wünsche Euch ganz viel Kraft und Zuversicht.