Heute schon über unsinnige FAZ Artikel geschmunzelt? Wenn kinderlose Autoren jammernde Mütter an den Pranger stellen.

Heute auf Twitter und Facebook: Wilde Gedanken zu den unzähligen, nein unsinnigen FAZ Artikeln über jammernde Mütter (und Väter), die sich offenbar im Selbstmitleid suhlen, weil Beruf und Familie nicht vereinbar wären. Ja, man sei sogar “wahnsinnig, heute noch ein Kind zu kriegen”.

Auslöser für meinen Lesemarathon war der Artikel im Blog von Mama notes.  Ich klickte und las mich von FAZ-Artikel zu FAZ-Artikel und nach anfänglichem Groll belustigte es mich irgendwann, wie manifestiert die Meinung kinderloser AutorInnen zum Thema Kinderkriegen und Heulerei über ach so schlechte Bedingungen ist.
Ich erinnerte mich sogar plötzlich, dass ich Anfang Januar einen dieser unsinnigen FAZ-Artikel gelesen hatte. Schwangerschaftsdemenz sei Dank hatte ich diesen Artikel schon wieder vergessen! Das liegt vielleicht aber auch daran, dass ich ihn gar nicht zu Ende gelesen habe, weil ich mich bereits damals ziemlich aufregte.

Und dann musste ich doch heute wirklich feststellen, dass plötzlich 3 weitere FAZ-Autoren mutig aus ihrer Deckung krochen und glaubten, mal eben gegen all die jammernden Mütter und Väter Deutschlands mitmischen zu können.

Mama notes fragt sich hier zurecht

Woher kommt diese herzhafte Abneigung gegen Mütter, Frauenthemen und ihrer Kritik? Warum ist es so schwer für diese FAZ-Autorinnen, Mütter ernstzunehmen, die sich beschweren, die auf gesellschaftliche Missstände hinweisen (Kinderbetreuung, Wiedereinstieg im Job, Jobchancen für Mütter, Chancengleichheit, Gehaltsgleichheit, unfaires Ehegattensplitting, etc.pp.)? Wie konservativ kann ein Blatt sein, dass es hauptsache alles behalten aber nichts ändern will, egal wie groß die Zahl der Menschen ist, die sich dagegen aussprechen?

Ich will hier gar nicht im Detail auf den ganzen geschriebenen Schwachsinn jener Zeitung eingehen, sondern einfach ganz subjektiv sagen, wie so eine Familiensituation aussieht, wenn man das ganze Glitter und Glitzer wegwischt.

Achtung liebe FAZ: Die nachfolgenden Zeilen können Spuren von Jammerei, Selbstmitleid, Sarkasmus und purem Realismus enthalten. Bei Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie bitte andere Eltern und nicht Ihre kinderlosen Co-Autoren!

 

Ein Kind zu bekommen entspringt nicht der reiflichen Überlegung, ob man wahnsinnig genug dafür ist, sein Leben aufzugeben, sondern es ist eine Herzensentscheidung.
Kinder sind toll! Kinder sind das großartigste, was man sich im Leben antun kann. Und trotzdem (Achtung, der erste Anflug vom Jammerei und Realismus) sind Kinder heutzutage immer noch – zumindest für Frauen – der Grund, warum sich das Leben schlagartig ändern kann.

Als ich mit meiner großen Tochter schwanger war, stellte sich mir gar nicht die Frage, inwiefern mich mein Kind beruflich einschränken könnte. Für mich stand fest: Nach maximal einem Jahr kehrst du Vollzeit zurück in den Job, den du liebst. Und das nicht, weil ich mein Leben materiell genauso weiterleben wollte, wie zuvor, sondern weil ich der festen Überzeugung war und bin, dass ich auch als Mutter das Recht dazu habe, mich beruflich zu verwirklichen.

Mit dem Elterngeld kamen wir bis dahin gut über die Runden. Kein Gejammer an dieser Stelle. 65% der eigentlichen Bezahlung für’s Nichtstun sind purer Luxus. Und man tut ja auch den ganzen Tag nichts als Mutter. Das Haus sieht abends noch genauso chaotisch aus wie morgens, die Klamotten sind mit Babykotze versehen, das Baby schläft vielleicht. Wahrscheinlich aber eher nicht. Schon gar nicht nachts, wenn es soll. Und überhaupt gab es nichts schöneres, als sich 12 Monate lang mit anderen Müttern über die Stuhlkonsistenz des Kindes auszutauschen. Nein, ich will wirklich nicht jammern. Früher gab es diese Zahlung, ergo die Möglichkeit, auf Staatskosten so viel wertvolle Zeit mit seinem Kind zu verbringen schließlich nicht. Ein Dank an unsere Bundesregierung für einen derart guten Einfall…

Einen Kitaplatz hatten wir damals übrigens auch sehr zeitig. Ein Wunder in der heutigen Zeit. Vielleicht auch das Glück, in Berlin zu leben. Wer weiß das schon.
Wir hatten also bis dahin finanziell überlebt und ab dort alles organisiert, dass ich wieder arbeiten gehen konnte.
Naja, blöd nur, dass ich zu jener Zeit die Rechnung ohne meinen damaligen Arbeitgeber gemacht habe. Denn – oh Überraschung – es war gar nicht so einfach wieder in den alten Job zurückzukehren. Statt meiner eigentlichen Position bot man mir verkappte Praktikantenstellen in anderen Abteilungen an bzw. offerierte mir parallel dazu, das Unternehmen gegen eine Abfindungszahlung zu verlassen. Natürlich alles sehr fair und nett formuliert. Immerhin war ich noch in Elternzeit und somit unkündbar. Logisch.

Das Unternehmen habe ich verlassen, mir meinen eigenen, in Anfangszeiten holprigen Weg gesucht und – oh Schande – 40h pro Woche gearbeitet. “Rabenmutter!” schallte es aus der einen Ecke. “Glauben Sie, dass Sie als Mutter eines Kleinkindes wirklich für diese Position geeignet sind?” aus der anderen. Nein, ich glaubte es nicht nur, ich wusste es.
Natürlich gibt es solche und solche Arbeitgeber. Ich will auch gar nicht alle über einen Kamm scheren. Aber ich habe einmal ziemlich schmerzlich erfahren, was es bedeutet, Mutter zu sein UND wieder arbeiten zu wollen. Vollzeit. In leitender Position. Und diese Erfahrung steckt nun bereits in der 2. Schwangerschaft in den Knochen. Ich glaube nicht, dass mir das gleiche in meinem jetzigen Unternehmen passieren wird, da es französischen Ursprungs und somit sehr familienorientiert eingestellt ist. Aber schlauer bin ich natürlich mal wieder erst nach der Elternzeit.

Ich möchte auch gar keine Debatte lostreten, ob eine Frau sich nun überwiegend um Familie und Haushalt kümmern sollte oder sich dafür entscheidet – aus welchen Gründen auch immer – wieder ins Berufsleben einzusteigen.
Ich habe den für mich einzigen und richigen Weg gewählt und musste letztendlich feststellen, dass das alles gar nicht so einfach war, wie ich es mir vorstellte oder wie die Staatsgeschenke es mir vorgaukelten.

Gerade gestern telefonierte ich mit einer guten Freundin aus Mainz. Sie, Anfang 30, seit 14 Jahren in einer guten Position in einem großen, gar nicht mal unbekannten Unternehmen. Ihr Kind ist ein knappes halbes Jahr alt. Sie versucht bereits jetzt schon verzweifelt, zumindest einen Hauch von Organisation in die Zeit nach ihrer Elternzeit zu bekommen. An einen Kitaplatz ist aktuell nicht zu denken. 10 freie Plätze für etliche Kinder. Da muss man nicht mal ne Leuchte in Mathe sein, um sich die Chancen auszurechnen. Alternative? Tagesmutter. Kosten? Unterm Strich lohnt es sich nicht wirklich, dafür überhaupt arbeiten zu gehen.
Ihr Arbeitsplatz? Zitat: Ich stelle mir meine Rückkehr so und so vor. Aber habe keine Ahnung, was sich mein Chef ausgedacht hat. Bisher konnte ich ihn zu dem Thema nicht greifen. Willkommen in der Ungewissheit der Mütter, die heutzutage den großen Luxus des Elterngeldes genießen dürfen und wertvolle Zeit mit ihren Kindern geschenkt bekommen…

Diese und viele andere ähnliche Geschichten sind leider keine Seltenheit. Und ich habe mich in den letzten Monaten immer wieder gefragt, woran es liegt, dass einem der Wiedereinstieg so schwer gemacht wird.

Zu Beginn meiner Schwangerschaft unterhielt ich mich mit einer französischen Arbeitskollegin. Damals selbst schwanger mit dem 3. Kind. Ihr Luxus: 4 Monate bezahlte Elternzeit, dann die Rückkehr in den Job. Vollzeit natürlich. Ich staunte nicht schlecht, ließ mir das ganze ein wenig genauer erklären und stolperte fast zeitgleich über einen interessanten Artikel, den Momslink auf Facebook veröffentlichte:

Wusstet ihr, dass nur 12,6% der Mütter in Deutschand mit Kindern unter 6 Jahren Vollzeit arbeiten? In Frankreich sind es 62%!

Ich fühlte mich fast schlecht, dass wir in Deutschland 12 bzw. 14 Monate für’s Nichtstun bezahlt werden, wohingehen andere europäische Länder wie selbstverständlich damit umgehen, dass auch Mütter recht schnell zurück an den Arbeitsplatz kehren. Vollzeit natürlich. Ich wollte es nur noch mal sagen. 

Ein genauerer Blick verriet, dass das Konzept in anderen Ländern ein ganz anderes ist. Zahlt man uns jammernden, undankbaren Müttern und Vätern in Deutschland viel, ja sehr viel Geld für’s Zuhausebleiben, unterstützt man in Frankreich zum Beispiel beide Elternteile dahingehend, zeitnah wieder vollzeit arbeiten zu können. Die Sicherstellung von Betreuungsplätzen ist Staatsangelegenheit. Mutter und Vater werden ganz selbstverständlich gleichermaßen dabei unterstützt, zurück an den Arbeitsplatz zu kehren.
Undenkbar in einem traditionellen Land wie Deutschland, in dem vollzeitarbeitende Frauen von kinderlosen Autoren bekannter Tageszeitungen als jammernd, heulend oder “auf der Suche nach dem perfekten Leben” betitelt werden…

Liebe kinderlosen FAZ-Autoren! Lest doch einfach mal den Artikel über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Frankreich und Deutschland und bekommt erstmal selbst Kinder.  Genießt das viele Glück, mit dem sie euer Leben bereichern, verflucht die vielen Stunden, in denen sie nicht schlafen, krank sind oder ihr schlichtweg überfordert seid und man als Mutter oder Vater ganz kurz (oder manchmal auch mal länger) den Drang verspürt, wegzulaufen. Und macht bitte die Erfahrung, wie schwer es ist, mit Kind “einfach” wieder arbeiten zu gehen. Mich würde es nicht wundern, wenn eine(r) von euch jetzt-noch-Kinderlosen in 2-3 Jahrenauf unserer Seite steht und die Missstände in Deutschland anprangert.
Wir freuen uns auf euch!

6 Kommentare on Heute schon über unsinnige FAZ Artikel geschmunzelt? Wenn kinderlose Autoren jammernde Mütter an den Pranger stellen.

  1. Marlen Scheller
    03/02/2014 at 21:29 (10 Jahren ago)

    Wie wahr wie wahr… einfach genial geschrieben jessy 🙂

    Antworten
  2. Vero611
    06/03/2015 at 13:28 (9 Jahren ago)

    Hallo! Interessanter Artikel! Ich wollte aber nur mal von “der anderen Seite” berichten: ich bin Deutsche und lebe seit 7 Jahren in Frankreich und fühle mich dort auch ganz wohl. Aber jetzt habe ich Kinder und für mich stand von Anfang an fest, dass ich mindestens die ersten 3 Jahre zu Hause bei ihnen bleiben will, weil ich das so am Besten finde. Ich mochte meinen Job auch nicht besonders, also zog es mich dahin nicht zurück und ich liebe es, mich um meine Kinder zu kümmern und eben nicht so “gestresst” zu leben. Das war aber in Frankreich ganz schön hart auszuhalten! Hier starrte mich jeder an: “Was?! Du gehst nicht sobald dein Kind deinen Köprer verlassen hat sofort wieder Vollzeit arbeiten?!! Was bist DU denn für eine MUTTER?!” Sicher ist es schön, wenn der Staat einem die Vorraussetzungen bietet, wieder arbeiten gehen zu können, aber das macht einem auch ganz schön Druck, bzw. man fühlt sich schlecht und muss sich ständig rechtfertigen, wenn man es nicht tut, sondern das tut, was man für richtig hält. Klar, im Raume Paris gehen die meisten auch aus finanzieller Not (die Mietpreise!!) schnell wieder arbeiten und weil sie sonst keinerlei Chancen hätten, wieder ihre Stelle zu bekommen.Glücklich sind die wenigsten Mütter damit. Das meiste vom Gehalt geht dann auch auf die Kinderbetreuung drauf, natürlich gibt es viele Kinderkrippen, aber eigentlich sind es doch viel zu wenig Plätze, die meisten müssen doch eine Tagesmutter nehmen. Also das Gras ist nicht immer grüner auf der anderen Seite…

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    • Jessika Rose
      06/03/2015 at 13:56 (9 Jahren ago)

      Danke für diesen sehr interessanten Einblick. Nein, natürlich ist das Gras auf der anderen Seite nicht grüner. Es ist mal wieder ein klassisches Beispiel dafür, dass sich heutzutage jeder für seinen gewählten Weg rechtfertigen muss. Egal wo, egal wofür. Ich hoffe, dass man dir deinen Weg nicht schwerer macht, als er ist. Und nein, natürlich sind die Mütter in Frankreich nicht glücklicher. So wie es in Deutschland geregelt ist, ist es schon ok. Aber es beißt sich am Ende auch mit dem Wunsch, vollzeit zurück in den Beruf zu gehen. Und sei es einfach nur die Ansichten des Arbeitgebers betreffend, dass Mütter ein “Risiko” darstellen.

      Ich wünsche dir alles Gute!

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