Mut steht am Anfang, Glück am Ende – Teil 1

Heute melde ich mich endlich auch hier mal wieder. Vor 11 Tagen, am 25.1.2014, ist unser kleiner Engel sehr rasant zu uns geflogen. Wir haben ihr 2 bedeutungsvolle Namen mit auf den Weg gegeben: Die Begnadete und die Tapfere, Mutige, Gesunde. Diese 11 Tage kommen mir vor wie 11 Wochen. Und wir sind immer noch im Krankenhaus auf der Intensivstation. Ich habe jegliches Gefühl für Wochentage, Tageszeiten und Zeitabstände verloren. 11 Tage… Was sind schon 1,5 Wochen? Im normalen Alltag verfliegen sie im Handumdrehen. Hier fühlt es sich aber an wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, die ich die kleine Maus schon kenne, eine Ewigkeit, die ich nicht mehr zu Hause war. Die letzten 11 Tage waren so ambivalent. Hoffnung und Angst, Glücksmomente und Rückschläge, Wartezeit und schnelle Entscheidungen. All das wechselte sich nicht täglich ab, sondern an manchen Tagen verfiel man ohne Vorwarnung, vom einen in den anderen Gemütszustand. Nein, man verfiel nicht. Denn hier auf der Intensivstation ist das Leben passiv. Man wurde abwechselnd vom Hoch ins Tief befördert. Während man sich noch freute, schlug die nächste Information zu und von dem guten Gefühl blieb nichts. Plötzlich war wieder nur Angst und Sorge da. Oder in der schöneren Variante umgekehrt. Wenn man voller Sorge an den Inkubator trat, wurde man überrascht… Ich tue mich schwer im passiv sein. Ich habe gern die Kontrolle über die Dinge – oder wenn nicht das, dann zumindest das Gefühl, Dinge steuern zu können. Aber leider ist diese Anwandlung mit allem hier nicht vereinbar. Vielleicht war es deswegen manchmal so schwer. Diese Ungeduld und Hilflosigkeit, wenn man nur abwarten, aber nichts wirklich tun kann.

Ich habe mich in den letzten Wochen der Schwangerschaft gequält. War es mir doch noch gelungen, trotz der Diagnose, die Schwangerschaft zu genießen, nahm – je näher der Termin rückte – die Angst wieder Überhand. Die Gedanken kamen nachts. Das Grübeln, die Sorge. Wie würde das alles werden? Würde es werden? Würde sie überhaupt die Entbindung überleben? (Erst heute traue ich mich, diesen Gedanken wirklich ‘laut’ zu äußern…) Was, wenn es Komplikationen gibt? Was, wenn ihr Herzfehler noch schlimmer ist, als vermutet. Das Restrisiko kannten wir. Man würde erst mit Gewissheit sagen können was sie hat, wenn man sie untersucht. Ich wünschte mir zu dem Zeitpunkt, dass ich den Tag der Entbindung weit hinauszögern könne. Um Wochen. Oder Monate. Bis ich mich bereit dafür fühlte. Aber wie kann man schon bereit für etwas sein, das man nicht kennt? Das einem Angst macht und von dem man weiß, dass der Weg schwer werden wird. Vorbereiten kann man sich nicht. Wie auch? Aber ich kenne ich mich sehr gut und wusste, dass das Verdrängen irgendwann in Angriff übergehen würde. Und das beruhigte mich in der Situation. Und so kam tatsächlich der Tag, an dem ich nicht mehr wollte, alles beschwerlich war, mich die Nachfragen, wie es mir ginge und ob sich schon was täte, nervten. Und ich wollte nur noch entbinden. Es hinter mich bringen. Und aus dem Wunsch, alles hinauszuzögern wurde Ungeduld. Aber mein Kind meinte es gut mit mir und machte sich 11 Tage vor dem eigentlichen Termin auf den Weg. Und das sogar ziemlich schnell. 40 Minuten Geburtswehen nahm ich dankbar als Geschenk an. Denn so hatte ich Kraft für alles, was danach auf uns wartete.

Was habe ich während der Schwangerschaft mit der Tatsache gekämpft, dass man sie sofort wegbringen würde und ich sie nicht sehen, halten und mit ihr kuscheln könne. In der Tat hielt man sie mir nur kurz hoch (ein laaaanges Kind) und brachte sie direkt in einen anderen Raum zur Untersuchung und der Papa passte auf, dass niemand seiner Prinzessin ein Haar krümmt. Aber das Hebammenteam ließ mich in der besonderen Situation nicht allein und kümmerte sich rührend um mich, pendelte zwischen den Räumen, um mir Bericht zu erstatten und fand die richtigen Worte, damit die schlechten Gefühle gar nicht erst herauskommen konnten. Trotzdem zitterten meine Beine minutenlang unkontrolliert durch den Adrenalinabfall. Es war, als wäre eine erste große Last von mir gefallen. Sie war da! Wir hatten es geschafft. Und sie hatte tolle Werte. Es ging ihr gut, unserer kleinen begnadeten, tapferen Maus! Und dann machten mir die Hebammen und Kinderkrankenschwestern das größte Geschenk: Sie schoben sie zurück zu mir in den Kreißsaal. Sie war erstversorgt, bekam über eine Infusion Prostaglandine, damit sich ihr Ductus nicht verschließt. Man legte sie mir in den Arm und gab uns beiden genügend Zeit, die fehlende Begrüßung nachzuholen. Und sie war so perfekt! Nichts deutete auf einen Herzfehler hin…

 
Und die Sorgen waren plötzlich verflogen. Ich war einfach nur glücklich und erleichtert.
Gegen Mitternacht schob man mich sogar mit dem Bett auf die Intensivstation. Und ich durfte lange bei ihr bleiben, sie halten, kuscheln und stillen! Ich bin dem ganzen Ärzte-, Hebammen- und Krankenschwestern-Team dieser Nacht so dankbar, dass sie mir diese Momente mit meinem Baby schenkten. Es bedeutete mir so viel und war rückblickend so wichtig, um daraus Kraft für die folgenden Tage zu schöpfen.

4 Kommentare on Mut steht am Anfang, Glück am Ende – Teil 1

  1. Sebastian
    06/02/2014 at 06:43 (10 Jahren ago)

    Herzlichen Glückwunsch!<br />Der Ablauf nach der Geburt ist aber ganz normal, das war bei uns bei beiden Kindern auch so: Erstmal Erstversorgung und Untersuchung, dann Kuscheln. Bei Euch hat es vermutlich nur länger gedauert.<br />Dieses hin- und hergeworfen wird in den nächsten Jahren immer wieder vorkommen und ihr werdet bestimmt auch noch einige Zeit im Krankenhaus und bei Ärzten verbringen (

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  2. Anonymous
    06/02/2014 at 20:45 (10 Jahren ago)

    Liebe Jessika,<br /><br />erstmal ganz herzliche Glückwünsche zur Geburt eures süßen kleinen Mäuschens!<br />Und der kleinen Maus ein herzlich Willkommen auf dieser Welt!<br /><br />Ich bin eine stille Leserin deines Blogs und habe eure Geschichte sehr berührt verfolgt.<br />Ich würde lügen wenn ich sage, ich weiß genau wie ihr euch fühlt, denn ich musste zum Glück noch nie so viel Angst

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  3. Juliane Flickert
    08/02/2014 at 12:55 (10 Jahren ago)

    Liebe Saskia,<br /><br />Herzlichen Glückwunsch zu eurer wunderschönen kleinen Tochter. Willkommen auf der Welt! Ich wünsche euch nur das Beste und schicke euch ganz viel Kraft auf euren Weg. Fühlt euch ganz lieb gedrückt. <br /><br />Liebe Grüße<br />Jule

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  4. K.
    06/01/2016 at 20:21 (8 Jahren ago)

    Hallo!

    Ich bin per Zufall auf deinen Blog gestoßen und habe ein paar deiner Beiträge in sehr kurzer Zeit verschlungen!! Ich mag deinen Schreibstil und ich erkenne mich in manchen emotionen wieder…Ich bin eine “first-time” Mummy und habe einen Sohn der 8 Monate ist.

    Als ich diesen Bericht der ja vor fast zwei Jahren verfasst wurde gelesen habe hatte ich pipi in den Augen…

    Ich wünsche dir und deiner Familie alles gute und freue mich auf weitere Beiträge 😉

    Lg aus Wien

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