Ich schleiche seit einigen Tagen tatsächlich gedanklich um diese Frage herum. Ist es legitim, als Mutter (oder Vater) Weihnachten nicht zu mögen? Während ich das Crescendo der weihnachtlichen Choräle bereits in meinem Nacken spüre, überkommt mich der immer größer werdende Drang, einfach dazu zu stehen: Nein, ich kann Weihnachten nicht leiden!
Als Kind hatte Weihnachten noch etwas Magisches, etwas Zauberhaftes. An jedem Adventssonntag kam meine Familie zusammen. Ich malte meinen Wunschzettel (damals gab es nämlich weder Spielzeugkataloge, noch Internet, geschweigedenn Farbdrucker!), der Weihnachtsmann kam, holte den gemalten Wunschzettel ab und die Spannung bis zum Heiligen Abend wurde fast unerträglich. Lief ich in den Tagen bis dahin neben der Spur, kam er zwischendurch noch einmal vorbei, hob ermahnend die Rute und ließ mich erfürchtig zurück. Weihachten war ein besinnliches Fest, mit Musik vom Plattenspieler, der ganzen Großfamilie, die zusammenkam und stundenlangem Gespiele, nachdem die Bescherung vorbei war.
Von diesem besinnlichen Zauber ist nichts geblieben. Sobald der 1. Advent eingeläutet ist, beginnt der erbitterte Wettkampf der Haus- und Fensterschmücker. Aus dem Radio wird man auf jedem Sender ge-WHAM-t und die Wochenendplanung gleicht einem sozialen Marathon.
Während man früher noch Weihnachtspost bekam, erhalte ich heute meist nur noch irgendwelche animierten What’s App Adventswünsche.
Schaltet man den Fernseher ein, besteht die Wahl zwischen 3 Haselnüsse für Aschenbrödel (Nichts gegen den Film, ich liebe ihn, aber 15 Sendetermine sind dann doch auch genug) und Kinderspielzeug-Werbung in der Endlosschleife. Dem Graus aller Eltern. Und wäre das nicht genug, fragt die liebe Verwandtschaft in stoischer Weise, was sich die lieben Kleinen denn wünschen. Und dann ist da natürlich noch der gesellschaftliche oder soziale Druck, die besten Plätzchen, die leckerste Gans oder das ausgefallendste Geschenk zu haben. Macht man zu allem Überfluss noch dieses Internet auf, dann wird man endgültig von Weihnachts-Gewinnspielen, ambitionierten Plätzchen-Bäckern und Weihnachtslieder-Trällerern erschlagen.
Ich fühle mich diesem Druck von Jahr zu Jahr weniger gewachsen. Schlimmer noch: Ich entdecke Grinch-ähnliche Züge an mir. Mein Mann hat kürzlich die Weihnachts-Deko-Kisten vom Dachboden geholt. Ein kurzer Blick nach links sagt mir, dass diese immer noch unangetastet in unserem Schlafzimmer stehen. Aber es ist ja auch erst der 4.12. Als unsere Große neulich einen Tag krank zu Hause war, überkam mich der Aktionismus und ich wollte, ganz Vorbild-Mutter, mit ihr das Haus schmücken. Ich habe es geschafft, die 5m-Lichterkette aus der aufwändigen Verpackung zu befreien, abzuwickeln und vor unsere Wohnzimmerfenster zu legen. Sogar ein kurzer Lichttest war drin. Aber plötzlich war es mir zu anstrengend, die 5m Kette über alle Fenster verteilt festzukleben. Für 3 Wochen Deko-Zauber, bei dem das Abschmücken mehr Zeit beanspruchen wird, als das eigentliche Anbringen der unzähligen Lichterketten, Weihnachtsfiguren, Staubfänger, etc. Ich fühlte mich schlecht. Wirklich schlecht. Vor allem als Mutter, die ihren Kindern ja ein zauberhaftes Weihnachten bereiten sollte. Aber das bin nicht ich. Es nervt mich zugegebenermaßen. Und das wiederum macht mich traurig, weil ich meinen Kindern ja eine schöne Weihnachtszeit bereiten möchte.
Wer jetzt ermahnend die Augenbraue hebt, dem sei folgendes gesagt: Natürlich werden wir einen echten Weihnachtsbaum haben. Und natürlich werde ich auch mit meinen Kindern Plätzchen backen. Vielleicht nicht so schnell und so oft, wie all die Super-Mütter das machen. Und wenn ich an das Chaos in der Küche denke, wird mir ehrlich gesagt jetzt schon anders. Wer soll das alles wieder aufräumen und saubermachen? Und überhaupt, WANN soll ich das machen? Nach der Arbeit ist es zu spät. Am Wochenende werden wir von A nach B fahren und abwechselnd Freunde, Familie und andere Weihnachtsjünger besuchen. Vielleicht direkt nach dem Aufstehen? Wir werden sogar etwas Großartiges basteln, was anstelle der klassischen Weihnachtsdeko herhalten darf. Ganz sicher werde ich die letzten Geschenke erst wieder auf den letzten Drücker bestellen. Ja, bestellen. Denn zum losgehen und kaufen fehlt mir schlichtweg die Zeit. Ich zerbreche mir jetzt schon den Kopf, wie ich Freunde, Familie und Kita-Erzieherinnen überraschen kann. Die Messlatte hängt schließlich hoch… Selbst Schuld.
Am Abend vor Heiligabend werde ich, wenn ich aus dem Büro gekommen bin, dutzende Pakete verpacken. Tapfer lächelnd, aber in dem sicheren Wissen, dass sie binnen Sekunden aufgerissen werden. Ich werde noch etwas zu Essen vorbereiten, was am Folgetag der familiären Schlacht zum Opfer fallen wird. Ich werde hoffen, dass in der Kita viele Weihnachtslieder gesungen wurden, damit meine Kinder unter dem Weihnachtsbaum textsicher sind. Und ich werde hoffen, dass meine Geschenke mit Freude an- und aufgenommen werden. Zwischendrin werde ich immer wieder fluchen und schimpfen und meine Laune ungerechterweise an meinem Mann auslassen. Und ganz wahrscheinlich werde ich zu Weihnachten still werden und mich erinnern, wie wunderschön still und besinnlich das früher als Kind war. Und wie stressig es heute als Mutter ist. Und am Ende werde ich die Frage, ob ich als Mutter Weihnachten doof finden darf, wieder fein säuberlich mit dem ganzen Deko-Kram auf dem Dachboden verstecken. Bis zum nächsten Jahr.
Übrigens habe ich auf Twitter ganz offiziell diese Frage gestellt. Bis jetzt mit klarem Ergebnis für die Grinch-Fraktion. Vielleicht bin ich doch nicht so allein…
Ist es legitim, als Mutter Weihnachten nicht zu mögen? Frage für eine Freundin.
— Jessika Rose (@herz_und_liebe) 3. Dezember 2015
Elke Peetz
04/12/2015 at 12:56 (9 Jahren ago)Hallo liebe Jessika,
oh wie gut kann ich Dich verstehen. Aber auch für uns Mütter kann die Adventszeit zauberhaft sein.
Darf ich Dir einen Link dalassen? Gerade haben meine Email-Leserinnen nämlich die 9 schönsten Geheimtipps für leuchtende MAMA-Augen in der Adventszeit zusammengetragen: http://www.elkepeetz.de/leuchtende-mama-augen/
Lass es Dir gut gehen!
Deine Elke
Angy
04/12/2015 at 13:50 (9 Jahren ago)Liebe Jessika,
nein – du bist nicht allein. All das kenne ich auch. Und noch dazu ist Töchterlein gerade in dieser Zeit besonders anstrengend, nörgelnd und kratzbürstig… und es macht ganz besonders viel Spaß heimlich um Mitternacht – mit fadem Auge – die Geschenke einzupacken, die sie momentan aus Mamas Sicht nicht unbedingt verdient hat… in diesem Sinne hohoho!
Ilsa
04/12/2015 at 14:45 (9 Jahren ago)Dieses Wettrennen um das schönste Weihnachten hat mich auch von Jahr zu Jahr mehr belastet und mir jede Freude genommen. Bis wir die Bremse gezogen haben. Jetzt werden nur noch die Kinder beschenkt, sonst niemand. Adventskalender werden gekauft, mit Schokolade oder schönen Bildern, und nicht selbstgebastelt/gefüllt. Gebacken wird in Maßen, falls mehr Süßkram benötigt wird, wird er halt gekauft (meistens hat man eh zu viel davon). Und wir fahren auch nicht mehr dauernd durch die Gegend, um irgendwelche Familienmitglieder zu besuchen, die vielleicht beleidigt sein könnten, wenn man sie nicht besucht (erstaunlicherweise waren die meisten eher erleichtert, weil die Besuche für sie nämlich auch zunehmend Stress bedeuteten). Seitdem ist Weihnachten für uns wieder das geworden, was ich erinnere: entspannt, gemütlich, mit Vorlesen, Musik hören, Tee trinken, Kerzen, Spielen. Weniger ist mehr, habe ich gelernt, und ich bin diejenige, die darüber entscheidet.
Liebe Grüße von Ilsa
Dirk
04/12/2015 at 17:52 (9 Jahren ago)Hallo Jessika,
klar ist es möglich, dass man Weihnachten nicht mag!
Denn so aufwändig, wie es gefeiert wird, passt es nicht mehr in die Zeit. Es ist ja wohl eher ausgelegt für Nur-Hausfrauen mit ausreichend Zeit, alles vorzubereiten.
Viele Grüße
Dirk
Dennis
23/12/2015 at 13:57 (9 Jahren ago)Hallo Jessica,
ich entdecke gerade Deinen schönen Blog (nachdem ich mich ja erst ein wenig an einem Kommentar gestoßen habe…sorry). Es ist dieser ganze Erwartungsdruck oder wie in dem Buch Momo, von Michael Ende, wenn Du auf die Straße guckst und zwar die ganze und Du dann in Panik und Streß verfällst. Beppo empfiehlt da den nächsten Schritt, den nächsten Besenstrich, den nächsten Atemzug 🙂
Es ist doch schon, wenn da die erste Lichterkette hängt/liegt. Und vielleicht kommt jeden Tag ein wenig dazu. Oder auch nicht…jetzt, da wir den 23.12. haben – wie ist es denn gelaufen?
Und zu guter letzt – mir geht es auch so. Ich finde Weihnachten schön, aber auch stressig.
Grüße
Dennis
Jessika Rose
03/01/2016 at 14:29 (9 Jahren ago)Hallo Dennis – es ist erstaunlich ok gelaufen. Der Baum stand rechtzeitig, geschmückt war in Maßen. Am Ende war ich erstaunt, wie schön es doch war. Beppo Straßenfeger hat gar nicht so Unrecht. 😉
Einen tollen Jahresstart dir!
Jessika
Sundancer 30
18/10/2016 at 12:31 (8 Jahren ago)Oh ich kann es verstehen auch wenn ich keine Kinder habe.Die Weihnachtszeit von heute hat nichts mit früher zu tun. Aber deswegen es zu hassen? Nun das ist ansichtssache. Ich persönlich mag die Weihnachtszeit. Aber was ich sehr vermisse ist die Ruhe und den Schnee. heute wird nur noch von A nach B gehetzt und es gib wenig Besinnung. Die meisten Weihnachtslieder werden kaum noch gespielt sondern nur die Amerikanischen, dabei gibt es so wunderbare deutsche Weihnachtslieder. Das Weihnachtsprogramm wird von Jahr zu Jahr auch nicht besser sondern ehr langweiliger. Es weirden keine alten Märchenfilme mehr gezeigt und wenn dann nur die neu gemachten die ich auch nicht so schön finde weil sie nicht mehr liebevoll und nett gemacht werden. Wenn ich an meine Kinderzeit zu Weih´nachten denke ach das war noch richtige Weihnachten. Jetzt ist es leider vorbei und ich vermisse es.