“Wenn ihr wüsstet…” – Wie Frau die erste Schwangerschaft zelebriert und eigentlich keine Ahnung hat, was auf sie zukommt!

Es ist September. Das ist ja bekanntlich der Monat, in dem die meisten Kinder zur Welt kommen (Weihnachten – das Fest der Liebe… Silvester – der viele Alkohol… Ach lassen wir das. 😉 ). Vielleicht ist das der Grund, warum ich gerade – egal wo ich mich rumtreibe – überall hochschwangere Frauen sehe. Solche, die stolz ihren Bauch nach vorn strecken, solche, die mit ihren Männern seelig einkaufen und jede (Baby-) Verpackung akribisch studieren. Und solche, denen man von weitem schon ansieht, dass sie keinen Bock mehr auf das Fettsein, den Watschelgang, das dauernde auf’s Klo müssen und nachts nicht schlafen können haben. Letztere fallen aus meiner Betrachtung heraus. Denn das sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jene Frauen, die mindestens schon ein Kind haben und wissen, was sie erwartet.

Noch lächelt ihr seelig… Wenn ihr wüsstet, was euch erwartet, wenn das Baby erstmal da ist!

Jedes Mal, wenn ich aber eine dieser seelig dreinschauenden Kugelbäuche sehe, erwische ich mich bei dem bösen Gedanken “Wenn ihr wüsstet, worauf ihr euch da eingelassen habt!” Manchmal denke ich sogar noch weiter, aber vertiefen wir das besser nicht. Oder doch?
Damit wir uns nicht falsch verstehen – Ich war auch so. Wir waren fast ausnahmslos alle so. In meiner ersten Schwangerschaft konnte ich taggenau sagen, wie weit ich bin (Anm. für die Männer: “Die Phrase wie weit ich bin bedeutet, in welcher Schwangerschaftswoche ich – WIR gerade sind.). Ich wusste sogar den exakten Entwicklungsstand, natürlich auch taggenau. Ich habe akribisch Buch geführt, jede Veränderung notiert, Gewichtszunahmen und Bauchumfänge für die Nachwelt festgehalten, mich als UHU und UFU (Schwangeren-Deutsch – Männer-Deutsch: UHU = unter Hundert Tage bis zum errechneten Geburtstermin, UFU = unter Fünfzig. Ihr müsst es nicht verstehen. WIRKLICH nicht!) feiern lassen. Ich habe mich penibel an Ernährungstipps gehalten (nix Rohes usw. … Ihr kennt das.) und alles, wirklich ALLES getan, was irgendwie von anderen für gut und richtig befunden wurde.

Als der vET (Anmerkung der amüsierten Verfasserin: voraussichtlicher Entbindungs-Termin – Ich erkläre euch das wirklich gern, liebe Männer!) näher rückte, machte ich mit meinem Mann brav einen Geburtstsvorbereitungskurs, habe Ratgeber gewälzt (den über die Geburt hätte ich einfach ignorieren sollen, denn der verschaffte mir viele schlaflose Nächte…), Geburtstee (ohne Himbeerblätter wegen der erhöhten Blutungsgefahr!) getrunken, Damm-Massagen gemacht (ohja, GANZ wichtig… 😉 ), bin zur geburtsvorbereitenden Akupunktur gewatschelt und habe manchmal einfach nur voller Vorfreude dagelegen, fasziniert dem Strampeln in meinem Bauch zugesehen und mich auf die vor uns liegende Zeit gefreut.

Mit dem einsetzenden Mutterschutz passierte ich das Tor zum Mutter-Olymp. Und plötzlich war ich drin. Im Club der Mütter. Die Aufnahmeprüfung war echt hart, nein schmerzhaft. Aber ich gehörte jetzt dazu – voller Stolz! Nur stellte ich sehr schnell fest, dass Vorstellung und Realität 2 völlig Fremde sind. Den Geburtsvorbereitungskurs samt aller Atemtechniken, den Geburtstee, die Dammmassage… Formulieren wir es mal so: Es war Teil des wunderbaren Zaubers. Aber rausgekommen wäre meine Tochter auch ohne all das. Mit dem gleichen Ergebnis. Ziemlich sicher sogar. Und das sage ich, obwohl ich eine sehr schnelle, komplikationsfreie und schöne Geburt hatte (die Schmerzen mal ausgeklammert).

Willkommen in der Realität!

Nunja… Das Baby war also da und ich plötzlich Mutter. MUTTER! Wir waren ELTERN! OH! MEIN! GOTT! Aber wir hatten gar keine Zeit für schiere Freude oder ausgiebiges Feiern. Wir waren müde, erschöpft, übel gelaunt und verwirrt. Wunde Brustwarzen vom Stillen sind ein Albtraum. Der Milcheinschuss und die Nachwehen beim Stillen sowieso. Wieso erzählt einem das vorher keiner? Und warum auch nicht, dass so ein leerer Babybauch wie ein leerer Sack Kartoffeln, faltig und unkontrolliert an einem hängt? Details über den Wochenfluss erspare ich uns. Und wie unangenehm so eine Geburtsverletzung ist, muss ich hoffentlich auch nicht erwähnen. Warum um alles in der Welt hat vorher nie jemand erwähnt, dass man neben Stillen, Windeln wechseln, Stillen, sich und das Baby umziehen, staunen und kuscheln zu nichts kommt? Nicht mal zum Essen oder Schlafen? Und warum hat mir vorher niemand gesagt, dass statt der erwarteten Glückseeligkeit erstmal pure Erschöpfung Einzug erhält. Und Verwirrung. Weil man Tag für Tag realisiert, dass das nun das neue Leben ist. Das Leben, das man sich immer gewünscht hat. Das man sich 9 Monate voller Vorfreude ausgemalt hat. Und es hatte so gar nichts mit meiner Vorstellung gemeinsam. Stattdessen hab ich geheult und geheult und war frustriert und unsicher. Naja, immerhin wussten wir, dass Hormone ein Arschloch sind. Und dass Männer und Frauen ganz unterschiedlich sind sowieso!

Es dauerte einige Wochen, wenn nicht sogar Monate, bis ich mich an meine neue Rolle gewöhnt hatte. Bis WIR uns an unsere neue Rolle gewöhnt haben. Nicht zuletzt auch durch die Unterstützung meiner tollen Hebamme Melanie, die ich in meiner 2. Schwangerschaft und der Zeit danach oft vermisst habe. Und meiner Mama, ohne die ich so manches Mal echt aufgeschmissen gewesen wäre. Das muss man ja auch mal sagen…!
Und irgendwann läuft es dann. Alles wird Routine, jeder findet seinen Platz, man selbst wird intuitiver und im Laufe der Jahre auch deutlich entspannter.
Als ich das erste Mal schwanger war, habe ich dennoch nie daran gedacht, welches Maß an Verantwortung, Schlafmangel, Babykotze, Kinderkrankheiten und und und da auf mich zukommt. Wie wenig Zeit ich für mich, für die Partnerschaft haben werde. Die kleinen, fiesen Details erfährt man meist immer erst, wenn’s soweit ist. Zurecht.

Und dann kommt der Tag, an dem man sich für ein weiteres Kind entscheidet. In dem Wissen, welcher Wahnsinn einen dann erwartet. Und man belächelt sich selbst, wie man in der ersten Schwangerschaft war. Dieses Maß an gesunder Naivität. Die Zeit, all das zu zelebrieren. Manchmal tut es einem dann leid, dass beim zweiten (oder dritten…) Kind alles so nebenher läuft. Und viel öfter als manchmal denkt man “Wie verrückt muss ich sein, mir das anzutun? Jetzt, wo ich weiß, was mich erwartet”.

Und dann lächelt man. Genauso glückseelig wie die Schwangeren, die ich gerade überall sehe. Die noch keinen blassen Schimmer davon haben, WIE sich ihr Leben verändern wird. Aber sie werden es alle ganz bald herausfinden… Und sie werden, genau wie wir alle, diese wundervollen Momente erleben, für die sich all das lohnt!

2010 / 2011 Fotograf: Gerald Schmidt

2011 / 2012 Fotograf: Gerald Schmidt

2013 / 2014 Fotografen: Gerald Schmidt / Andreas Friese

5 Kommentare on “Wenn ihr wüsstet…” – Wie Frau die erste Schwangerschaft zelebriert und eigentlich keine Ahnung hat, was auf sie zukommt!

  1. Herzmutter
    17/09/2014 at 16:20 (10 Jahren ago)

    Ohja, kann ich auch gut nachvollziehen… bei mir ging es sogar so weit dass mir die Glücklichen auf die Nerven gegangen sind, weil ich auch etwas eifersüchtig war – ich musste nämlich liegen und konnte diesen ganzen Zusatzkram nicht machen, Kurse usw. Aber noch Schlimmer: wenn es einem nach der Geburt wochenlang dreckig geht und es keinen interessiert und alle stundenlang vorbeikommen und man

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  2. Andrea
    18/10/2014 at 19:52 (9 Jahren ago)

    So schön geschrieben – auch wenn ich erst ein Baby habe. 😉 Ich habe auch die Schwangerschaft nicht wirklich so akribisch verfolgt. ABER: dieser Wahnsinn danach, die ersten Wochen und Monate, das ist schon weltverändernd. Der Teil gefällt mir besonders gut. ;)<br /><br />Liebe Grüße,<br />Andrea

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  3. Jan Hartmann
    27/08/2016 at 17:40 (8 Jahren ago)

    Rückblickend auf die Geburt meines einzigen Sohnes und die Zeit, in der meine Frau schwanger war, muss ich leider sagen, dass ich mir das keinesfalls ein zweites Mal antun würde. Sorry, aber das ist meine ehrliche Meinung.

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